Kunst & Kultur
Luzerner Theater startet Spielzeit mit mutiger Neuinterpretation von 'Wilhelm Tell'
Die moderne Inszenierung greift aktuelle gesellschaftliche Themen auf und zieht ein jüngeres Publikum an.
2025-06-04 17:33 | Von Schweizer Horizonte Team

Mit einer ungewöhnlichen Inszenierung des Klassikers 'Wilhelm Tell' hat das Luzerner Theater die neue Spielzeit eröffnet. Die Neuinterpretation verknüpft den Stoff mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen wie Überwachung, Zivilcourage und digitaler Widerstand.
Die Regie führt die renommierte Regisseurin Miriam Steiner, die für ihre mutigen Bühnenkonzepte bekannt ist. In ihrer Version steht nicht der Tyrannenmord, sondern die Frage nach individueller Verantwortung im Fokus.
Die Bühne ist minimalistisch gehalten: Digitale Projektionen, Live-Kameras und sphärische Musik begleiten die Darsteller, die zwischen historischen Kostümen und moderner Alltagskleidung wechseln.
Besonders eindrucksvoll ist die Darstellung der Figur des Gessler, die als charismatischer Technokrat inszeniert wird. Seine Macht zeigt sich nicht in Gewalt, sondern in Kontrolle über Daten und soziale Netzwerke.
Das Ensemble, bestehend aus festen und freien Mitgliedern, liefert eine dynamische Leistung ab. Die Schauspielerinnen und Schauspieler wechseln fließend zwischen Rollen und Kommentatorenfunktion – ein dramaturgischer Kniff, der dem Publikum Reflexionsraum bietet.
Die Premiere wurde vom Publikum mit minutenlangem Applaus bedacht. Auch die lokale Presse zeigte sich überwiegend begeistert von der frischen Perspektive auf den Traditionsstoff.
Neben klassischen Theaterbesuchern zog die Produktion ein junges Publikum an – viele kamen über Social Media oder über ein begleitendes Schulprojekt zum Stück. Damit erfüllt das Haus eines seiner Ziele: die Öffnung für neue Zuschauergruppen.
Ein besonderes Lob erhielt das Bühnenbild, das mit Lichtinstallationen und Videomapping beeindruckte. Es wurde vollständig in Luzern produziert und soll später auf Tournee in der Romandie zum Einsatz kommen.
Die Intendanz plant, weitere Klassiker mit gesellschaftlicher Aktualität neu zu inszenieren. Geplant ist unter anderem eine moderne Version von Friedrich Dürrenmatts 'Besuch der alten Dame'.
Mit dieser Eröffnung setzt das Luzerner Theater ein klares Zeichen: Es will nicht nur unterhalten, sondern auch Debatten anstoßen – und dabei Theater als Spiegel der Zeit begreifen.